I am a material girl

Der Unterschied zwischen Haben und Sein ist riesig. Dazwischen liegen Welten.
Aber wer kann die Unterschiede schon auf den ersten Blick feststellen? Das ist nämlich das Heimtückische daran, dass man auf den ersten Blick eher selten einen Unterschied feststellen kann. Klar gibt's diese Prollos, denen man auf weiter Entfernung ansieht, dass da nur heiße Luft ist. Aber es gibt viel mehr Leute, die sich geschickt tarnen, denen man es nicht an der Nasenspitze oder sonstwodran ansieht, dass sie zwar viel haben, aber letztendlich wenig sind. - Übrigens nehme ich hier Bezug auf das lesenswerte Buch "Haben oder Sein" von Erich Fromm *.

habensein

Ich kann, wie die meisten anderen Menschen, problemlos aufzählen, was ich alles habe. Auf die Frage "Was hast Du alles?" kann man recht leicht antworten.
Aber bei der Frage "Wer bist Du?" wird's doch deutlich schwieriger.

Schlagen wir mal eine Brücke zu uns Medienmenschen:
Was haben wir? Wir haben einen Computer mit DSL-Zugang und lauter Zubehör, wir haben ein Handy, wir haben ein TV-Gerät und natürlich haben wir auch einen DVD-Player oder gar -Recorder... Und und und (ich möchte hier nicht den Rahmen sprengen, zu lange Artikel wird sich wohl niemand hier durchlesen wollen, denn wir haben ja keine Zeit), Außerdem haben wir eine eine lange Liste von Dingen, die wir haben wollen.

Und was oder wer sind wir? Hmmmm. Schweigen...?
Welcher Generation gehören wir an? Manche sicher noch der Generation Golf. Aber was kommt danach?
In dem Buch "Coolhunters" (herausgegeben von Klaus Neumann-Braun & Birgit Richard **)wird die aktuelle Genration von jungen Menschen schlicht "Coolhunters" genannt. Von cool und hunter (Jäger).

coolhunters

Was heißen soll, ich zitiere: "postmoderne Jäger und Sammler", "Suche nach dem eigenen Stil und ihrem Streben "cool" zu werden in einer Erlebniswelt, die von Konsum, Unterhaltung und Livestyle geprägt ist", halt "ganz normale" junge Leute. Man kann auch sagen: Die Jagd nach dem Haben um cool zu sein. Und das Sein richtet sich nach dem Haben. So ist das halt heute üblich.

Wir alle sind PROSUMER, eine Kreation aus Konsumieren und Produzieren. Dank des Massenmediums Internet geht das ganz einfach. Jeder kann einfach konsumieren (sich etwas ansehen, etwas kaufen...) und produzieren (wie z.B. so'n Blog hier). Das macht das Haben leichter. Aber auch das Sein?


Können wir jetzt die Frage "Wer sind wir?" oder gar "Wer bin ich?" beantworten?

Denkt doch mal über den feinen Unterschied nach zwischen "Ich habe einen Mann / eine Frau" und "Ich bin verheiratet" oder "Ich habe ein Kind" und "Ich bin Mutter / Vater".
Und was glücklicher macht. Ich meine auf Dauer. Das Haben, oder das Sein?
So viel Zeit für Philosophie sollte sein... ;-)


* Erich Fromm: Haben oder Sein. dtv

** Klaus Neumann-Braun, Birgit Richard (Hrsg): Coolhunters. suhrkamp
medienkompetenz - 18. Sep, 20:43

Toller Beitrag

Das ist aber ein Blogger geboren worden :-) Man merkt die Deutschlehrerin und das Belesene, ganz anders als ich. Ich hoffe die neue Lehrer-Generation ist besser, als die die ich kenne.

Weiter so

Gruss AW

AndreaStangier - 19. Sep, 16:34

Dankeee für das Kompliment. Nur gut, dass man in der virtuellen Welt nicht sieht, dass ich so leicht erröte... :-)

Ich hoffe, ich werde Deiner Hoffnung, was die neue Lehrergeneration betrifft, gerecht werden. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt...
bellorenz - 19. Sep, 10:01

Alte Seelen..

Freunde und Begegnungen sind besonders wichtig, die sich trauen zu schauen/sein, wie sie "sind". In Tibet z.B. will man mit nicht schauenden Menschen nichts zu tun haben. Man meidet sie wie Unberührbare. Sie hätten "weiße Augen", sagt man. Der Dalai Lama sagt "Ich bin wie ein Spiegel. Wenn Du mich ansiehst, siehst Du Dich!" Ihn bezeichnet man als "alte Seele", die sehr "bei sich" _ist_ (Sein).

Die tolle Beobachtung an Fromms "Haben oder Sein" (wenn ich mich recht erinnere) ist ja das Paradox. Etwas Materialles, was man _hat_ und weggibt, wird weniger. Etwas, was man nicht materiell "hat" und weggibt oder herschenkt (Liebe, Zuneigung --> "Sein"), wächst.

lg, la

AndreaStangier - 19. Sep, 16:36

Danke für den ergänzenden Beitrag, sehr treffend!!

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